Zusammenfassung eines Abschlussprojektes im Rahmen der HEP II 2012
von Ellen Kern
Ich arbeite schon sehr lange Zeit in der Holzwerkstatt der Gemeinschaft Altenschlirf und habe hier nach dem Abitur und einem FSJ in einer anderen Einrichtung eine Ausbildung zur Tischlerin gemacht. Nach vielen Jahren der Mitarbeit nun wollte ich meine praktischen Erfahrungen durch die fachtheoretischen Erkenntnisse der berufsbegleitenden Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin an der Siegfried Pickert Fachschule / Campus Stockhausen erweitern und ergänzen. Ich habe mich während der gesamten Schulzeit sehr wohl und auch gut und sehr professionell und zugleich herzlich, wertschätzend und persönlich von dem Dozententeam am Campus begleitet gefühlt.
Mit der Wahl meines letzten und abschließenden Praxisprojektes hatte ich das Glück, dass das Anliegen und der Bedarf von einem betreuten Mitarbeiter der Holzwerkstatt selbst ausgingen.
Die Projektidee und die Durchführung
In der Holzwerkstatt der Gemeinschaft Altenschlirf fertigen wir im kunsthandwerklichen Bereich (es gibt auch noch die Bereiche Möbelbau und Innenausbau) Frühstücks – und Aufschnittbretter, sowie Tabletts (in Kooperation mit der Firma Manufactum), Untersetzer, Teelichthalter, Figurensets zur systemischen Beratung (in Kooperation mit der Firma Systemo), Postkartenständer und Brettchenhalter. Die fertigen Produkte werden in einem Kellerraum des Werkstattgebäudes gelagert und dort auch für den Verkauf und Versand gewogen und verpackt. Jeder Lagerein – und Ausgang wird dokumentiert, damit wir den Bestand jederzeit zB. auf Anfrage der Kunden aus einer Liste ersehen können. Außerdem werden unsere Produkte in unserem Hofladen ausgestellt und verkauft. Die Bestückung des Ladens sowie die Präsentation müssen regelmäßig kontrolliert und ggf. aufgefüllt bzw. geordnet werden. Auch dieser Vorgang wird in den Listen und Lieferscheinen dokumentiert.
In all den Jahren meiner Mitarbeit habe ich diese Dokumentation selbst gemacht. Voraussetzungen sind die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verstehen und umsetzen -, Schreiben, Lesen und Rechnen zu können, sowie logische Konsequenzen zu ziehen und diese auch zu kommunizieren. Aus dem Bestand im Lager sind Rückschlüsse auf die Produktion zu schließen. Geht ein Produkt im Verkauf zur Neige, so muss dieser Sachverhalt den Kollegen mitgeteilt – und die Produktion und Bearbeitung entsprechend angepasst werden. Etwa zweimal wöchentlich sollte der Ladenbestand aktualisiert werden. Diese Arbeit hat viel meiner Zeit in Anspruch genommen und ich musste meine Arbeit in der Betreuung, Anleitung und Begleitung der Werkstattmitarbeiter und der laufenden Arbeitsprozesse in dieser Zeit vernachlässigen.
Mein späterer Projektteilnehmer hat mich oft begleitet und mir beim Einräumen und Zählen des Bestandes, sowie bei der Bestückung unseres Hofladens mit den Produkten unserer Werkstatt geholfen. Anfang 2014 fragte er mich das erste Mal, ob nicht er diese Aufgaben erlernen und eigenständig übernehmen könne. Diesen Wunsch bekräftigte er immer wieder und so konnte ich im Zuge meines Abschlussprojektes feste Zeiten für die Unterweisung und Anleitung zur Durchführung dieser vielfältigen Aufgaben eines „Produktmanagers der Holzwerkstatt im Bereich Kunsthandwerk“ unter dem Überbegriff „selbstbestimmte Teilhabe und eigenverantwortliches Handeln“ einplanen. So entwickelte sich das Projekt also vornehmlich aus den Interessen des Teilnehmers heraus und ich habe während der Durchführung stets versucht, ihn in seiner eigenen Ideenfindung zu unterstützen ohne allzu viele Vorgaben zu machen. Zunächst habe ich den anstehenden Entwicklungsbericht für den Teilnehmer erstellt und das Projekt dort auch als besonderes Förderziel dokumentiert. Währenddessen habe ich mich auch eingehend mit der gesundheitlichen, seelischen und geistigen Verfassung und Konstitution des Teilnehmers sowie mit seiner Biographie und natürlich intensiv mit ihm selbst, seinen Vorlieben und Abneigungen, seinen Fähigkeiten, Ressourcen und auch den Einschränkungen beschäftigt, ihn durch die intensivierte Zusammenarbeit auf all diesen Ebenen besser kennen – und verstehen gelernt. Dabei haben mir auch die Eltern sehr geholfen, zu denen ich stets guten Kontakt hatte und noch habe. Die Zusammenarbeit mit Angehörigen sowie biographische Kenntnisse von den Menschen, die wir begleiten und unterstützen sind ganz allgemein ein unerlässlicher Bestandteil unserer Arbeit. Ebenfalls wichtig ist die Kommunikation mit den Kollegen und Mitarbeitern, sowie die zeitnahe Dokumentation der Arbeitsabläufe in Tages – und Stundenberichten.
In der Durchführung haben wir weitestgehend gemeinsam die Arbeitsabläufe und Zielsetzungen immer ungefähr eine Woche im Voraus geplant und in einer wöchentlichen Rückschau reflektiert. Dabei stellte sich heraus, dass in diesem Fall eine zeitliche Vorgabe von meiner Seite nötig war. Zunächst arbeiteten wir dann, wenn es in die Abläufe der Werkstatt hineinpasste. Das hatte zur Folge, dass der Projektteilnehmer keine anderen Arbeitsaufträge mehr annahm, da er glaubte dann vielleicht die Arbeit am Projekt zu versäumen. Also erwies sich eine feste Zeitplanung an festgelegten Tagen als notwendig (ca.2×2Std./Woche).
Wir begannen damit, die Räumlichen Gegebenheiten im Verpackungslager an die Bedarfe des Teilnehmers unter ergonomischen und gestalterischen sowie praktischen Gesichtspunkten mithilfe baulicher Maßnahmen anzupassen ( Ordnungs- Regalsystem, Raumstruktur, Beschilderung der Produkte, Materialunterbringung ), um langfristig eine weitestgehend eigenständige Arbeit zu ermöglichen. Parallel dazu haben wir neue Dokumentationslisten erstellt, welche an die Schriftgröße des Teilnehmers angepasst und nach seinem Verständnis eingeteilt ist. Beim Zählen und dokumentieren der Produkte boten sich die Gelegenheiten zu praktisch unterlegten Rechenübungen im Bereich des kleinen Einmaleins (+ – : x).
Der Teilnehmer hat sich in der Projektzeit alle Kenntnisse angeeignet, die nötig sind um den beschriebenen Bereich und die damit verbundenen Arbeitsschritte eigenständig auszuführen und dabei auch sozialtherapeutische Zielsetzungen wie zB. Verlässlichkeit/ Disziplin in der Durchführung, Treffen und Einhalten von Absprachen und die Kommunikation mit den Kollegen zu berücksichtigen.
Jetzt – nach einem Jahr füllt der damalige Projektteilnehmer diesen Arbeitsbereich mittlerweile routiniert, aber dennoch immer noch mit Freude eigenverantwortlich und selbstbestimmt aus.